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Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Studio Mexiko-Stadt
Die Weltkommission für Drogenpolitik will die Märkte staatlich regulieren. Das sei der effektivste Weg, um die Probleme in den Griff zu bekommen, sagte deren Präsidentin Dreifuss.
Schon seit ihrer Gründung vor sieben Jahren fordert die Weltdrogenkommission ein radikales Umdenken in der weltweiten Drogenpolitik. Die Kommission, die überwiegend aus ehemaligen Staatschefs besteht, stellt ihren Jahresbericht heute in Mexiko vor. In dem Land sind in den vergangenen zwölf Jahren im sogenannten Drogenkrieg etwa 200.000 Menschen ums Leben gekommen.
Man dürfe den Drogenhandel nicht der organisierten Kriminalität überlassen, heißt es in der Forderung der Weltkommission. Angesichts des gescheiterten Drogenkriegs, der vielen toten Konsumenten und der vom Drogenhandel ausgelösten Konflikte plädiert das Gremium für eine verantwortungsvolle Kontrolle. Überall auf der Welt müsse der Markt für Drogen unter staatliche Aufsicht gebracht werden – wie, das erklärt der Jahresbericht der Kommission detailliert.
250 Millionen Konsumenten weltweit
Ruth Dreifuss, Präsidentin der Weltdrogenkommission und frühere Präsidentin der Schweiz, spricht von 250 Millionen Konsumenten weltweit. Repression sei keine Antwort. Die schaffe noch mehr Probleme und Gewalt.
“Wenn die Staaten von der Produktion bis zum Konsum die Kontrolle übernehmen, kann man auch die Gewalt in den Griff bekommen”, so Dreifuss. Sie schlägt einen ähnlichen Umgang wie bei Alkohol und Tabak vor. Die derzeitige Situation sei dadurch geprägt, dass “die Kontrolle kriminellen Organisationen übergeben wurde, mit allen Folgen, die es von der Dritten Welt bis zu den Konsumländern hat”.
30.000 Tote allein in Mexiko im vergangenen Jahr
So starben in Mexiko allein im vergangenen Jahr 30.000 Menschen eines gewaltsamen Todes in dem Konflikt, der von der organisierten Kriminalität ausgeht. Befeuert wird die Gewalt durch Straflosigkeit und Korruption. Regulierung, beziehungsweise legaler Handel von Drogen, wie ihn die Komission fordert, ist mit schwachen staatlichen Institutionen wie Justiz und Polizei schwer vorstellbar.
Kommissionsmitglied César Gaviria – der frühere kolumbianische Präsident, in dessen Amtszeit Drogenboss Pablo Escóbar ins Netz der Fahnder ging – will Mexikos neuer Regierung Mut machen und ruft sie zu mehr politischer Initiative auf. “Offensichtlich fördert das Drogengeschäft die Korruption. Trotzdem kann die Politik eingreifen: Indem sie das Justizwesen verbessert.” Da sei noch nicht viel passiert.
“Aber gerade das ist wichtig im Kampf gegen das Drogengeschäft”, sagt Gaviria. “Die Regulierung dieses Geschäfts funktioniert nur, wenn der Rechtsstaat stark ist und wenn die Justiz die Werkzeuge, die ihr zur Verfügung stehen, auch wirklich benutzt. Es ist noch ein weiter Weg.”
Kommission gegen Repression und Kriminalisierung
Der Großteil der in Mexiko angebauten Drogen, wie Marihuana und Opium, sind für den Export ins Nachbarland USA bestimmt. Dort gibt es Bundesstaaten, die den Marihuana-Anbau erlauben – zum Ärger von Präsident Donald Trump, der auf Repression und Kriminalisierung der Konsumenten setzt. Drogendealern drohte er mit der Todesstrafe.
Das ist kein adäquates Mittel, meint die Präsidentin der Weltdrogenkommission, Dreifuss. “Die Prohibition, das heißt das reine Verbot, ist eine Abgabe der Verantwortung an kriminelle Organisationen”, sagt Dreifuss. “Es ist auch weitgehend der Verzicht auf die Maßnahmen, die notwendig sind, um das Leid der Menschen zu mindern.”
Die Weltkommission für Drogenpolitik beobachtet Fortschritte: Einige Länder sowie US-Bundesstaaten beginnen damit, den Drogenhandel zu regulieren – das ist ein extremer Kontrast zu den 33 Staaten, in denen Drogendealern die Todesstrafe droht.